Von Heinz Gilomen
[Dieser
Text ist auch im Seniorweb am 2. Dezember 2014 erschienen]
Altersarmut ist weit verbreitet in der reichen Schweiz.
Ein Skandal! Die Vorsorge 2020 würde eigentlich Gelegenheit bieten, diese
Situation entschieden zu bekämpfen.
Altersarmut
in der reichen Schweiz. Wenn wir von Armut in der Schweiz
sprechen, geht es in den meisten Fällen nicht mehr um Hungertod oder
Obdachlosigkeit. Aber es geht um eine Zweiklassengesellschaft, in der ein Teil
sich nicht oder nur mit Mühe am gesellschaftlichen Leben beteiligen kann. Es geht darum, sich keine Ferien zu leisten
und nur mit Mühe hin und wieder einen Ausflug mit dem Zug unternehmen zu
können. Darum, sich möglicherweise keinen Computer kaufen zu können, obschon
dieser gerade für ältere Menschen ein wichtiges Kommunikations- und
Erfahrungsmittel darstellt. Es geht darum, keine Reserven für unvorhergesehene
Ausgaben, etwa im Gesundheitsbereich zu besitzen, kein Geld für Bücher und
Zeitschriften, für Theater-, Restaurant- oder Kinobesuch zu haben. Der Club vom
15.Oktober 2014 im Schweizer Fernsehen hat hier einige treffende Beispiele
vorgelegt. Das Bundesamt
für Statistik (BFS) bezeichnet denn auch jene Personen als
„armutsgefährdet“, die „ein deutlich tieferes Einkommen als die
Gesamtbevölkerung haben und somit dem Risiko des sozialen Ausschlusses“
ausgesetzt sind.
Rund 1.2 Mio Menschen in der
Schweiz sind gemäss BFS
armutsgefährdet oder leben in Armut. Davon sind etwa 340‘000 Personen 65 Jahre
oder älter. Damit lebt in dieser Altersgruppe jede(r) vierte (26.8%) in Armut
oder Armutsgefährdung. Bei Alleinstehenden über 64 Jahre ist es sogar jede
dritte Person, die in dieser Situation lebt.
Diese weit
verbreitete Altersarmut ist inakzeptabel und stellt das prioritäre Problem der
zukünftigen Vorsorge-Politik dar. Es wäre deshalb zu erwarten, dass die
bundesrätliche Strategie der Vorsorge
2020 explizit die Problematik der zahlreichen tiefen Renten anspricht und
entscheidende Gegenmassnahmen trifft. Dies ist aber nicht der Fall. Einmal mehr
wird das Verfassungsziel der Fortsetzung der gewohnten Lebensweise nicht
umgesetzt. Und die Renten von Arbeitnehmenden im Tieflohnsektor, von Teilzeit
Arbeitenden oder von Familien Betreuenden bleiben völlig ungenügend. Treffend
ist denn auch der Titel des erwähnten TV-Clubs
„Altersarmut ist weiblich“.
Renten
erhöhen und Rentenalter senken! Mittelfristig lässt sich die Altersarmut wohl nur über
einen substantiellen Ausbau der AHV sowie eine Konsolidierung und
Weiterentwicklung der Ergänzungsleistungen bekämpfen. Dies ist übrigens auch
eine Forderung
der SP60+, die sich als politische Stimme der älteren Generationen
versteht.
Altersarmut fällt jedoch nicht einfach vom
Himmel, wenn man 64 oder 65 Jahre alt wird. Die Ursachen sind vielmehr im
vorhergehenden Erwerbsleben zu suchen, wo denn auch der Hebel für eine
nachhaltige Sanierung anzusetzen ist. Tieflöhne, unbezahlte Erziehungs- und
Pflegearbeit (vor allem bei Frauen), und vorzeitiges Hinausdrängen aus dem
Arbeitsmarkt (mit Rentenkürzungen) sind die wesentlichsten Faktoren für die
äusserst bescheidene Einkommenslage im Alter. Und solange ältere Arbeitnehmende
auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden, ist auch jede Rentenerhöhung nicht nur kontraproduktiv, sondern unlogisch.
Sie führen nur zu einer Erweiterung der Altersarmut und zur Belastung der
anderen Sozialwerke. Sinnvoll ist deshalb vielmehr eine Senkung des
Rentenalters.
Unsinnige
Demografie. Können wir das bezahlen? „NEIN“ lautet die Botschaft
jener Politiker, welche mit ihren demografischen Horrorszenarien rumwedeln, die
zeigen sollen, dass wir uns die vielen langlebigen Alten gar nicht leisten
können. Das ist natürlich Unsinn. Wichtig ist ja nicht das zahlenmässige
Verhältnis zwischen Jung und Alt, sondern die Relation zwischen
Wirtschaftsleistung und jenen Gruppen, die ökonomisch abhängig sind. Also neben
den Rentnern auch die Kinder und Jugendlichen, die Invaliden, die
Nichterwerbstätigen, etc. Das weiss jede Familienmutter und jeder
Familienvater.
Und hier sind die Indikatoren im grünen
Bereich, und sie werden es auch bleiben, wenn wir uns nicht selber
wirtschaftlich ein Bein stellen (Ecopop und Ähnliches lassen grüssen) oder in der Verteilungsfrage
Verhältnisse wie im Manchesterkapitalismus des 19. Jahrhunderts anstreben. Das
Umfeld ist somit günstig, um die dringendsten Lücken und Mängel im heutigen
System der Altersvorsorge zu schliessen. Wir müssen es nur wollen.
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